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02.02.13: Weg frei für Embryonenauslese - Bundesrat stimmt Präimplantationsdiagnostik-Verordnung mit Änderungen zu

BundesratssitzungDer Bundesrat hat am 01.02.13 der von der Bundesregierung erarbeiteten umstrittenen Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PIDV) mit Änderungen zugestimmt. Damit hat die Länderkammer den Weg für die genetische Untersuchung und Auslese von Embryonen bei künstlicher Befruchtung frei gemacht.

In der Verordnung wird auf Grundlage des Präimplantationsdiagnostikgesetzes vom 21. November 2011 das Nähere zu den verfahrensmäßigen und organisatorischen Vorgaben der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) geregelt. Das PID-Gesetz, das der Deutsche Bundestag damals mehrheitlich beschlossen hatte, enthält ein grundsätzliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik. Gleichzeitig werden in engen Grenzen die Fälle bestimmt, in denen die PID-Durchführung ausnahmsweise zulässig sein soll. Die Ausnahmen sollen für Paare gelten, bei denen beide Teile eine Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit in sich tragen oder die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Tot- oder Fehlgeburt rechnen müssen. Ohne die zugehörige Verordnung durfte das Gesetz jedoch bislang nicht angewandt werden.

Kein Rechtsanspruch auf Zulassung eines PID-Zentrums

Der Bundesrat legte nun fest, dass ein genereller Anspruch auf Zulassung eines PID-Zentrums nicht besteht. Entscheidend sei vor allem der Bedarf und das öffentliche Interesse. Hierdurch lasse sich eine Konzentration auf wenige Zentren erreichen, was der Qualitätssicherung diene, heißt es in dem Beschluss. Zudem fordert der Bundesrat, dass die Ethikkommissionen neben medizinischen Aspekten zwingend auch psychische, soziale und ethische Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben und ihre Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit treffen müssen.

Zur Begründung heißt es: "Die Entscheidung kann nicht nur unter Berücksichtigung der medizinischen Aspekte getroffen werden, sondern muss zwingend aufgrund einer Zusammenschau aller berührten medizinischen, psychischen, sozialen und ethischen Aspekte des Einzelfalles erfolgen. Gerade die Bewertung, ob eine genetische Krankheit schwerwiegend ist, ergibt sich selten aus der Diagnose allein." Vielmehr bedürfe es dazu in der Regel auch der Einbeziehung des familiären Hintergrunds des betroffenen Paares. Insbesondere seien diese Aspekte in jedem Einzelfall zu berücksichtigen und nicht nur dann, wenn die Frau eine diesbezügliche Begründung abgibt und von der Ethikkommission angehört worden ist.

Die Entscheidungsfassung der Ethikkommission mit mindestens Zweidrittelmehrheit gewährleiste "eine Belastbarkeit der Entscheidung" und "repräsentiert einen breiteren Konsens innerhalb der Ethikkommission als bei einer Entscheidung mit einfacher Mehrheit." Eine solche Entscheidungsfassung werde auch dem Gewicht der mit der Entscheidung verbundenen ethischen Folgen eher gerecht.

Nicht durchsetzen konnte sich der Vorschlag aus den Bundesratsausschüssen, dass in den Ethikkommissionen die Fachrichtungen Medizin, Ethik und Recht sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung auf Landesebene maßgeblichen Organisationen vertreten sein müssen und die Zusammensetzung nicht die Fachrichtung Medizin überwiegen darf bzw. die Forderung ihrer Gesundheitsminister, über die Zusammensetzung dieser Kommissionen selber entscheiden zu dürfen. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) habe laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels vom 1. Februar (siehe unten) zuvor signalisiert, dass individuelle Regelungen für ihn wegen des dann zu befürchtenden "Flickenteppichs" nicht akzeptierbar gewesen wären. Man dürfe nicht in eine Situation geraten, in der PID-willige Paare von einem Bundesland ins andere reisten, weil dort die Chance auf eine Bewilligung größer sei, so das Blatt zur Position des Ministers. Daher bleibt es dabei, dass jede Ethikkommission aus acht Mitgliedern bestehen und die Zusammensetzung so sein muss, dass die Ärzte darin nicht überstimmt werden können.

Es bleiben Unklarheiten

Vor Verabschiedung der Verordnung im Bundesrat hatten zahlreiche Verbände, der Deutsche Ethikrat und zuletzt Abgeordneten aus allen Fraktionen Änderungen an der Verordnung angemahnt. Denn sie fürchteten andernfalls ein völliges Ausufern der PID-Anwendung. Hauptkritikpunkt war unter anderem die zuvor unbestimmte Anzahl der PID-Zentren und die Regelung zu den Ethikkommissionen. Diese Änderungen wurden nun zum Teil von der Bundesländerkammer aufgegriffen. Doch auch nach der PID-Verordnung bleiben Unklarheiten. Offen bleibt z. B., was mit den sogenannten überzähligen Embryonen geschehen soll, die bei der PID anfallen. Denn für eine Präimplantationsdiagnostik sind nach Stand der Forschung mindestens acht Embryonen notwendig, eingepflanzt werden dürfen aber laut Embryonenschutzgesetz höchsten drei.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr begrüßte in einer Presseaussendung die Zustimmung des Bundesrates, auch wenn diese mit Änderungen an einigen Vorschriften der Verordnung verbunden ist. "Ich bin sehr zufrieden. Wir werden die Verordnung jetzt auf den Weg bringen. Damit gibt es endlich Rechtssicherheit für betroffene Paare und alle Beteiligten. Der vom Parlament nach langer Debatte im Sommer 2011 gefundene Kompromiss, die Präimplantatiosdiagnostik in engen Ausnahmefällen zuzulassen, ist damit umgesetzt worden", so Bahr.

Die Verordnung in der geänderten Fassung wird dem Bundeskabinett nun zur erneuten Beschlussfassung vorgelegt. Die Bundesregierung kann die Verordnung nur in Kraft setzen, wenn sie den Forderungen des Bundesrates vollständig entspricht. Bis dann die PID in der Praxis angewandt werden kann, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Zuerst muss die Infrastruktur geschaffen werden, d.h. die Ethikkommissionen eingerichtet und die PID-Zentren genehmigt werden. Laut Verordnung soll dies innerhalb von zwölf Monaten geschehen.

Weiterführende Informationen:

Pressespiegel zur Rechtsverordnung zum Präimplantationsdiagnostik-Gesetz

Nachfolgend finden Sie chronologisch sortiert einige ausgewählte verlinkte Artikel/Pressemitteilungen zur Rechtsverordnung zum Präimplantationsdiagnostik-Gesetz.

Bundesrat entscheidet: PID wird in Ausnahmefällen eingeführt
RHEINISCHE POST 02.02.13

Kritik an PID-Beschluss
Die katholische Kirche hat die baldige Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland scharf kritisiert.
PRO Medienmagazin 02.02.13

Weg frei für Gentests an Embryonen
Nach jahrelangen ideologischen Grabenkämpfen billigt der Bundesrat eine Rechtsverordnung des Gesundheitsministeriums, die die Präimplantationsdiagnostik in engen Grenzen erlaubt
TAZ 02.02.13

Präimplantationsdiagnostik: Weniger Leiden
Kommentar
TAGESSPIEGEL 02.02.13

Bundesrat stimmt PID-Verordnung mit einigen Änderungen zu
AERZTEBLATT.DE 01.02.13

Umstrittene Gentests: Bundesrat stimmt Präimplantationsdiagnostik zu
Gentests auf Defekte an Embryonen sind bald möglich.
FOCUS Online 01.02.13

Bundesrat billigt PID-Verordnung: Verbot mit Ausnahmen
DOMRADIO 01.02.13

Bundesrat ermöglicht Präimplantationsdiagnostik
Nach jahrelangem Streit ist der Weg für die Präimplantationsdiagnostik frei.
ZEIT Online 01.02.13

Nach Bundesrat-Entscheidung: Bald Gentests an Embryonen möglich
von Rainer Woratschka
Fast zwei Jahre ist es her, dass der Bundestag für die Zulassung von Gentests an Embryonen stimmte. Doch den Paaren ist die PID bis heute verwehrt. Jetzt ist klar: Bald werden die Angebote dazu aufgebaut. Dennoch zieht der Bundesrat Grenzen.
TAGESSPIEGEL 01.02.13

Bundesrat stimmt für PID
Der Bundesrat hat am Freitag für die Präimplantationsdiagnostik (PID) gestimmt.
PRO Medienmagazin 01.02.13

Bundesrat beschränkt Zahl der Zentren für Präimplantationsdiagnostik
Die Länder haben heute der Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID), die die grundsätzlichen Verfahrensvorgaben zur PID bestimmt, nur mit Auflagen zugestimmt.
PRESSEMITTEILUNG Bundesrat 01.02.13

Bundesrat stimmt Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik zu
Berlin. Der Bundesrat hat heute der Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PIDV) der Bundesregierung mit Änderungen zugestimmt. In der Verordnung wird das Nähere zu den verfahrensmäßigen und organisatorischen Vorgaben der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik geregelt.
PRESSEMITTEILUNG Bundesministerium für Gesundheit 01.02.13

Gegen Geschäfte mit der Reproduktion
Berlin. Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe »Kritische Feministinnen« und des Gen-Ethischen Netzwerks wollen am heutigen Freitag vor dem Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße in Berlin gegen die anstehende Verabschiedung der Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zur Präimplantationsdiagnostik (PID) protestieren.
JUNGE WELT 01.02.13

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