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16.07.15: Weiterer Weg für Embryonenselektion frei: Gemeinsame Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) für sechs Bundesländer nimmt Arbeit auf - Zwei PID-Zentren in Baden-Württemberg zugelassen

Am 15.07.15 wurde in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen der Weg für die praktische Anwendung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik frei gemacht. Als Präimplantationsdiagnostik (PID) wird die genetische Untersuchung eines außerhalb des Körpers (in vitro) erzeugten Embryos vor dessen Implantation in die Gebärmutter der Frau bezeichnet, wobei nur die gesunden Embryonen eingesetzt werden. Für die Anwendung des Verfahrens ist das Votum einer Ethikkommission notwendig. Eine gemeinsame PID-Ethikkommission der sechs Bundesländern hat am 15. Juli mit ihrer konstituierenden Sitzung ihre Arbeit aufgenommen. Die Kommission hat die Aufgabe, Anträge auf Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik zu bewerten. Die Ethikkommission ist gemäß dem von den beteiligten Ländern im letzten Jahr geschlossenen Staatsvertrag bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg angesiedelt. Dies teilte das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg in einer Presseaussendung mit.

Der Deutsche Bundestag hatte bereits Mitte 2011 nach vorangegangenen langjährigen Debatten ein entsprechendes Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik verabschiedet. Es ist seit 08.12.2011 in Kraft. Für die genaue Umsetzung sind laut zugehöriger Präimplantationsdiagnostik-Verordnung (PIDV) vom 18.02.13 die Bundesländer verantwortlich (siehe dazu die umfangreichen Themenspecials unten mit dem Weg zum Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik und die zugehörige PID-Rechtsverordnung (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV)).

Nach § 3 a des Embryonenschutzgesetzes darf die Embryonenselektion bei künstlicher Befruchtung nur in strengen Ausnahmefällen bei genetischer Vorbelastung der Eltern durchgeführt werden, wenn die Gefahr einer schwerwiegenden Erbkrankheit des Kindes oder einer Tot- oder Fehlgeburt auf Grund dieser Erkrankung besteht. Keine Indikation für PID sind Geschlechtsbestimmung ohne Krankheitsbezug, höheres Alter der Eltern sowie reproduktionsmedizinische Maßnahmen im Allgemeinen. Die PID-Ethikkommission prüft den Antrag. Sie kann hierzu Sachverständige beiziehen, Gutachten anfordern, sowie die antragsberechtigte Frau und gegebenenfalls den Mann, von dem die Samenzelle stammt, mündlich anhören. Die Entscheidung des Gremiums wird der Antragsberechtigten innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der erforderlichen Angaben und vollständigen Unterlagen schriftlich bekannt gegeben.

Ethikkommission mit acht Mitgliedern

Der gemeinsamen Ethikkommission gehören acht Mitglieder an: Vier medizinische Sachverständige aus den durch die PID berührten Fachrichtungen, jeweils ein Sachverständiger oder eine Sachverständige der Fachrichtungen Ethik und der Fachrichtung Recht. Dazu kommen eine Vertreterin oder ein Vertreter einer Organisation, die sich in einem der am Staatsvertrag beteiligten Bundesländer maßgeblich für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten engagiert sowie eine Vertreterin oder ein Vertreter einer Organisation, die sich in einem der sechs Bundesländer maßgeblich für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe der Menschen mit Behinderungen engagiert.

Die Mitglieder und deren Vertreterinnen oder Vertreter wurden nach Beteiligung der jeweils zuständigen Landesärztekammern im Einvernehmen mit allen am Staatsvertrag beteiligten Ländern benannt und von der Landesärztekammer Baden-Württemberg für die Dauer von zunächst fünf Jahren berufen. Sie sind in ihrer Entscheidungsfindung unabhängig und nicht weisungsgebunden. Die PID-Ethikkommission berichtet jährlich gegenüber dem Sozialministerium über die Anzahl der mit Zustimmung versehenen und der abgelehnten Anträge. Der Bericht gibt auch Auskunft darüber, welche erblichen Krankheiten Gegenstand der Prüfung durch die PID-Ethikkommission waren.

Einzelfallentscheidung nach eingehender Prüfung

Die Bewertung der Zulässigkeit einer Präimplantationsdiagnostik werde neben medizinischen, auch psychologische, soziale und ethische Aspekte zu berücksichtigen haben, so das baden-württembergische Gesundheitsministerium. Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg und selbst niedergelassener Gynäkologe, betonte: "Die PID wird ausschließlich zur Vermeidung von schweren Erbkrankheiten, Tot- oder Fehlgeburten zur Anwendung kommen. Es geht um Paare, die gegebenenfalls bereits Schlimmes erlebt haben und denen die Kommission einen Weg in einer belastenden Situation aufzeigen kann." Die Ärzteschaft wolle Paaren, für deren Nachkommen ein hohes Risiko einer familiär bekannten und schwerwiegenden genetischen Erkrankung besteht, die PID nur im Einzelfall und nach eingehender Prüfung des Für und Wider verantwortungsvoll ermöglichen.

Mit Blick auf die Konstituierung der PID-Ethikkommission berichtete Dr. Clever nicht ohne Stolz, dass es gelungen sei, die Kommission bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg anzusiedeln. "Wir danken allen an der Einrichtung der länderübergreifenden Ethikkommission beteiligten Personen und Institutionen, insbesondere auch den Gesundheits- und Sozialministerinnen und -ministern sowie den Kammerpräsidenten der beteiligten Länder." Damit hob er nicht nur die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit mit dem baden-württembergischen Sozialministerium anerkennend hervor, sondern auch die offene und zielorientierte Kooperation mit den Ärztekammern in den Bundesländern, die sich zu dem länderübergreifenden Gremium zusammengeschlossen haben.

Bundesweit fünf Ethikkommissionen für PID

Dr. Clever wies darauf hin, dass bundesweit nur fünf Ethikkommissionen zur PID eingerichtet werden sollen. Die geringe Anzahl von Ethikkommissionen trage maßgeblich zu einer bundesweit einheitlichen Entscheidungspraxis bei und könne die Anrufung verschiedener Ethikkommissionen in derselben Angelegenheit verhindern. Wie das konkret verhindert werden soll, wurde nicht deutlich.

Für die Bundesländer Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hatte bereits am 11.02.14.bei der Ärztekammer Hamburg eine gemeinsame Ethikkommission für PID die Arbeit aufgenommen. Ebenso gibt es eine PID-Kommission in Bayern. Dort wurde im Dezember 2014 ein eigenes bayerisches Gesetz zur Ausführung der Präimplantationsdiagnostikverordnung (BayAGPIDV) vom Landtag verabschiedet und ist seit dem 01.01.2015 in Kraft. Am 9. März 2015 begann die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik offiziell ihre Arbeit. In Berlin ist seit dem 30.04.14 die Ethik-Kommission des Landes Berlin auch für die PID zuständig. Für Nordrhein-Westfalen NRW soll eine eigene Präimplantationsdiagnostik-Kommission bei der Ärztekammer Nordrhein aufgebaut werden, ist aber nach heutigem Stand noch nicht soweit. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es noch keine eigene PID-Ethikkommission, eine Einrichtung ist aber bei Bedarf vorgesehen.

Zwei PID-Zentren in Baden-Württemberg zugelassen

In Bezug auf die technische Durchführung der PID sei nun die Prüfung von zwei dem baden-württembergischen Sozialministerium vorliegenden Anträgen auf Zulassung als PID-Zentrum abgeschlossen worden, teilte Landesgesundheitsministerin Katrin Altpeter mit. Die Antragsteller erfüllten die Zulassungsvoraussetzungen und die entsprechenden Bescheide würden in den nächsten Tagen zugestellt. Eines der Zentren sei in Heidelberg, das andere in Freiburg angesiedelt.

Nach den Worten Altpeters werden an die Zulassung von Einrichtungen, in denen eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden soll, hohe Anforderungen gestellt. Damit solle sichergestellt werden, dass die Präimplantationsdiagnostik nur in besonders qualifizierten Einrichtungen und durch qualifiziertes Personal durchgeführt wird. Zur Sicherung und Überprüfung der Qualität werde die Zulassung zunächst auf fünf Jahre befristet. Die Zentren müssten zudem gewährleisten, dass eine umfassende Aufklärung und Beratung der betroffenen Frauen durch qualifiziertes Personal erfolgt.

Die PID-Zentren seien zudem verpflichtet, der beim Paul-Ehrlich-Institut angesiedelten Zentralstelle in anonymisierter Form Informationen zu übermitteln, in denen die im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik durchgeführten Maßnahmen dokumentiert werden.
 

Weiterführende Informationen:

Der Weg zum Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik und die zugehörige PID-Rechtsverordnung (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV)

Die Ethikkommissionen für Präimplantationsdiagnostik der Bundesländer

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